Man ist immer so alt, wie man sich fühlt. Ich werde dieses Jahr noch 40 – ein Grund für viele meiner Alterskolleginnen, sich ab jetzt „alt“ zu fühlen. Ich jedoch finde: Alt? Nö! Jetzt geht es doch erst richtig los! Mit 20 Jahren Berufserfahrung habe ich mittlerweile meinen Weg gefunden und sitze einigermaßen fest im Sattel. Da ist es doch glatt sogar nochmal Zeit für was Neues. Und wer weiß, was da in zehn oder 20 Jahren noch so alles kommt.
Neue Dinge sind bei mir immer irgendwie ‚aus der Not‘ entstanden. Meine Selbstständigkeit als Journalistin begann, als mein Arbeitsvertrag in einem Verlag nicht verlängert wurde, ich aber weder einen neuen Job in Aussicht, noch Lust auf die Odyssee Arbeitsagentur hatte. Neue Zweige und Sparten kamen immer dann dazu, wenn irgendetwas nicht so richtig lief.
So wie mir ging es auch meiner Reporterkollegin Daniela „Danny“ Pieth. Nur dass sie ihren Neustart viel, viel später hingelegt hat. Pieth ist heute 53 Jahre alt, und hat in den vergangenen Jahren gleich zweimal neu angefangen. Die Berlinerin kam 1996 berufsbedingt nach Hessen und arbeitete über Jahre als selbstständige Handelsvertreterin. Zu viel, zu oft, zu lange. Ein persönlicher Schicksalsschlag, der Tod des Vaters, löste bei ihr einen Abwärtsstrudel aus: „Ich habe mir durch den stressigen Arbeitsalltag nicht genug Zeit für mich selbst und vor allem zum Trauern genommen und zu viel unterdrückt“.
Das Erlebte warf sie aus der Bahn. Job weg, wegen der vorausgegangenen Selbstständigkeit kein Anspruch auf Arbeitslosengeld, kein Geld, die Miete zu bezahlen. Einzig ihre Tätigkeit als Handballtrainerin und die Berichterstattung vom Handball für eine Lokalzeitung halfen ihr, ein wenig den Faden zu behalten. Ansonsten lebte sie von Hartz IV. „Es waren dunkle, lange Jahre“, sagt sie heute selbst. 2015 das absolute Tief: Kein Telefon, kein Auto, keine Wohnung. Eine neue, hellere Wohnung bildete schließlich den Schlüssel: „Ich habe quasi endlich meine dunkle Höhle verlassen“. Und dann kämpfte sich Danny Pieth Schritt für Schritt aus der Misere raus – Jobs als Sportkommentatorin und ‑reporterin ließen sie Licht am Ende des Tunnels sehen. Daraus entstanden weitere Tätigkeiten im Handballumfeld und auch die Idee, beratend tätig zu werden.. Es lief gut, dann folgte Freitag, der 13. März 2020. Der erste Corona-Lockdown. Ein Schlag ins Gesicht, doch Pieth hatte bereits einen Plan B. Eigentlich wollte sie eine Dependance eines Brötchen-Lieferservices für Gießen und Umgebung eröffnen, um Menschen anzustellen, die eine Perspektive brauchen. Doch Corona ließ sie umdenken: „Ich hab‘ es dann einfach selber gemacht“.
„Ich habe quasi endlich meine dunkle Höhle verlassen.“
Seit dem 6. April 2020 liefert die 53-Jährige Backwaren aus, Nacht für Nacht fährt sie mit ihrem Auto herum und sorgt dafür, dass andere Menschen morgens frische Brötchen auf dem Teller haben. Das Geschäft läuft – und irgendwann bald wird sie dann tatsächlich weitere Mitarbeiter anstellen, um ihnen zu helfen, den Sprung aus Hartz IV zu schaffen. Dann will sie außerdem Menschen beraten und coachen, sich aus der Misere selbst herauszukämpfen.
Daniela Pieth ist das Paradebeispiel für einen gelungenen Neuanfang. Doch insgesamt gewinnt die zweite Lebenshälfte vor allem für Frauen an Attraktivität: Die Kinder sind oft aus dem Haus oder groß genug, um eigenständig zu agieren, Frau erfindet sich dann oft neu. Neue Hobbys, neue Freiheit, neues Glück. Die Ratgeberwelt ist voll mit Themen für die selbstbewusste Frau ab 50. Auch in Sachen Rente kann man auch ab 50 noch etwas tun, selbst, wenn der Lebenslauf vorher Lücken aufweist. Auch Daniela Pieth weiß, dass sie da in den vergangenen Jahren zu wenig getan hat. „Ich bin aber bereits dabei, mich in das Thema einzuarbeiten und Zielsetzungen für die nächsten Jahre zu erarbeiten“. Einige Tipps von der Expertin haben wir hier für euch.
Doch wie sieht es eigentlich in den Lebensdekaden danach aus? Ab 60 und mit dem Eintritt in die Rente? Was tun ältere Menschen noch für sich selbst? Gerade in den Rentenjahren erfüllt sich so mancher noch seinen Lebenstraum oder möchte etwas Neues lernen. Tatsächlich ist das Thema Weiterbildung auch bei Älteren sehr stark gefragt, vor allem, wenn es um die Fortbildung in Sachen Digitalisierung geht. 42,3 Prozent der Menschen über 60 Jahre gaben Statista im Jahr 2020 bei einer Befragung an, das Internet nicht zu nutzen. Wohin gegen das Online-Marketing die sogenannten „Silver Surfer“, also Internetnutzer über 50 Jahren, schon vor einiger Zeit als Gruppe mit hoher Kaufkraft eingestuft hat. Oft fehlt es an Wissen und an Vertrauen, denn gerade ältere Menschen haben Erhebungen zu Folge hohe Ansprüche etwa an die Datensicherheit.
Gerhard Herget bestätigt das. Er leitet zusammen mit drei weiteren Kollegen das PC-Café „55 plus“ der Seniorenwerkstatt der Gemeinde Langgöns. Gerade bei Älteren gebe einen großen Nachholbedarf in Sachen Computer- und Internetkenntnisse gibt, Themen wie Online-Formulare Online-Banking oder jüngst auch die Luca-App verunsicherten viele Ältere. Da sei Aufklärungsarbeit gefragt. Nachholbedarf gebe es vor allem bei Frauen. „Viele haben zwar an der Arbeit noch einen PC genutzt und mit den entsprechenden Programmen gearbeitet. Sich dann aber aus all den Möglichkeiten einen Computer und Programme für zuhause auszusuchen, das überfordert viele“. Herget bestätigt hierbei wieder uns bereits bekannte Muster: „Männer gehen mit dem Thema lockerer um, Frauen trauen sich die Themen Computer und Technik oft nicht zu“.
Das kennen wir doch schon von den Finanzen und aus den jüngeren Jahren. Da gibt es offenbar tatsächlich eine Parallele. Also Mädels, fangt jetzt an, zu echten Zukunftsplanerinnen zu werden – dann klappt es auch im Alter. Mit den Träumen, mit dem Glück und mit den Finanzen. Für einen Neuanfang, ist es, egal, in welchem Bereich, nie zu spät.
Redakteurin, Coach und Eventmanagerin; Inhaberin von SG Events & Medien
Handballtrainerin, Sportkommentatorin und ‑reporterin; Geschäftsführerin der Dependance MeinFrühstück24.de Mittelhessen
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